Viele Thesen heutiger Trendforscher zum Thema Wohnen sind bereits seit den 1960-er Jahren bekannt. Dass wir nicht nur „weniger, älter, bunter“ werden, sondern auch „schneller“ und „mobiler“ diskutierten die Experten bereits damals. Mit der Einrichtung von Lehrstühlen zur Gebäudekunde wurde denn auch der Rahmen an den Architekturfakultäten geschaffen, insbesondere das Wohnen in verschiedenen Formen und Konzeptionen durchzubuchstabieren.
Es zeichnete diese Zeit aber nicht nur ihr Forscherdrang aus, sondern mehr als heute auch ihre Experimentierfreude in der Realität. Der gleichzeitig aufkommende Begriff Urbanität wurde denn auch zum Vehikel, Konzepte der Verdichtung zu erfinden, ob in den Innenstädten oder in neu zu gründenden Stadtteilen.
Zeitzeugnisse der 1960-70er-Jahre in Münster stellen das vielgestaltige Coerde dar, die Wohnscheiben und -türme in Berg Fidel und Kinderhaus, die Teppichsiedlung Schlesienstraße, das Appartmenthaus Segger (s. Cover), das Wohnhaus Kemper in der Klosterstraße oder das Allroundprojekt Aegidiimarkt.
Heutige Raumforscher ersetzen das funktionalistische Denken gerne durch das Nonterritoriale und das Atmosphärische. Aus 2ZKB wird so eine Social-Kitchen-MediaRoom-HomeOffice-WellnessArea, also ein offener Grundriss, der Wohnen, Arbeiten und Freizeit miteinander verschränkt. Gleich anderen Städten verstärkt sich hierbei auch in Münster der Trend zur Innenstadt. Hin zu Wohnprojekten mit verdichteten Nachbarschaften, individuellen Grundrissen, kinder- und altenfreundlich, ökologisch, verkehrsberuhigt, grün in attraktiver Architektur. Service-Struktur statt Schlafstadt, Kulturleben statt nur Kirche, Schulzentrum und Eisdiele, in neuer Gemeinschaft statt ein Aufsich-gestelltsein – neben Familien schlüpfen so auch ältere Menschen gerne nochmals in die Bauherrnrolle.
Für Münster liegt hierin eine große Herausforderung, fokussierte sich das jüngere Baugeschehen doch zu 90 Prozent auf flächenfressende Neubaugebiete in den Stadtteilen. Nur wenige Projekte wie die prämierte Gartensiedlung Merschkamp (Ortner & Ortner) auf einem ehemaligen Fußballplatz, Verdichtungsprojekte an Bernhardstraße (Bolles+Wilson), Grüne Gasse (Gruppe MDK) und an der Scharnhorststraße (Kleihues+Kleihues) arbeiteten in vorzeigbarer Weise an innerstädtischen Orten.
Profile entwickeln, Orte definieren, Partner finden: Verdichtung und Verfeinerung in der Innenstadt muß künftig der Schwerpunkt sein. Hierbei zählt die Qualität jedes Einzelvorhabens, ist doch der Platz beschränkt: der Promenadenbereich stellt gerademal 0,4 Prozent des Stadtgebietes dar, der Innenstadtring 7,5 Prozent. Am 24.9. findet zum Thema „Wohnen in Münster – die neue Lust am Urbanen?“ im Kiffe-Pavillon der Münster Modell-Ortstermin 7 statt – unter anderem werden msa-Studenten auch neue Wohnprojekte zeigen.
Stefan Rethfeld