Ursprünglich wurde Marketing für Unternehmen erfunden. Längst aber haben auch Städte es für sich entdeckt. Im internationalen Wettbewerb gilt es sich zu positionieren, als Stadt mit besonderen, ja einzigartigen Bedingungen. Gerade Münster hat sich frühzeitig – mit Unterstützung des hiesigen Marketing-Papstes Heribert Meffert – auf den Weg gemacht und vermarktet sich bereits seit 2004 als Stadt der Wissen-schaft und Lebensart. Auf Grundlage eines Integrierten Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzeptes (ISM) und basierend auf einem eigenen Katechismus mit Leitorientierungen, wurde eine spezifische Markenarchitektur entwickelt, mit Markenkern, -werten, -themen und -produkten.
Planung und Marketing verstehen sich seitdem wie siamesische Zwillinge, wo das eine nicht ohne das andere auskommt. Gleich viermal konnte Münster nun punkten, beim erstmalig vom Bundesbauministerium durchgeführten Wettbewerb Stadt bauen, Stadt leben. Gesucht wurden bundesweit baukulturell herausragende Projekte und vorbildliche Verfahren zur nachhaltigen Entwicklung in Stadt und Region der vergangenen zehn Jahre. Und gerade das Konzept der Integrierten Stadtentwicklung überzeugte die Jury, so dass nicht nur der ISM-Prozess, sondern auch bereits daraus abgeleitete Projekte wie die Bürgerkampagne Münster bekennt Farbe, die Initiative starke Innenstadt und das Gesamtkonzept Klimaschutz mit eigenen Sonderpreisen ausgezeichnet wurden.
Ein großer Überraschungserfolg für Münster als erfolgreichste deutsche Stadt hinter dem Riesen Berlin. Und ohne Frage ist die strategische Ausrichtung, gerade die Stadtentwicklungsfragen mit dem Stadtmarketing zu verknüpfen, klug. Doch machen nicht Preise diesen Prozess erfolgreich, sondern er muss sich zu allererst vor Ort in der Stadt bewähren. Und hier findet eine Diskussion mit dem Bürger gerade über Ziele der Stadtentwicklung kaum noch statt. Allenfalls Anwohner können sich mit ihren Rechten einbringen. Das Stadtgespräch scheint eingeschlafen.
Selbst in konkreten Projekten wie der Musikhalle oder der Hafenentwicklung erweist sich die Kommunikation mit dem Bürger als auffallend gestört. Wenn das Marketing die Oberhand in einer Stadt gewinnt, gerät der Bürger auch schnell zum entfremdeten Kunden – und wird unfrei. Die Gefahr besteht, dass Münster zuviel Make-Up benützt und dadurch unverbindlich wird. Dabei besitzt ebenso wie ein Mensch auch jede Stadt eine eigene Aura.
Eine Stadt muß nicht theatralisch sein, nicht immer posieren, sich spreizen, nicht für die Kamera oder den nächsten Wettbewerb agieren. Hat doch gerade auch das Natürliche einer Stadt Charme. Münster ist gerade da überzeugend, wo es alltäglich ist und bei sich bleibt. Und wer Stadt auch so versteht, braucht ihre Lebensart gar nicht erst zu betonen.
Stefan Rethfeld