Wach sein beim Wachstum
so gesehen
Ausgabe 11.2009
architektur stadt ms (2009)
Ende in Sicht? Foto: Stefan Rethfeld

Ende in Sicht? Foto: Stefan Rethfeld

Mit den ersten Nebeltagen kehrt Ruhe ein. Die Tage werden kürzer und still. Das Getreide, die Straßen, die Baustellen, die Politiker: alles ist geerntet, gebaut, geweiht und gewählt. Vieles, was lange geplant war, ist nun vorüber. Es ruht. Nur mit einer Sache verhält es sich in diesem November anders: der Politik. Ihr Räderwerk läuft gerade wieder merklich an, im Bund so auch in der Stadt. Und es dauert nur wenige Meldungen, bis sich ein Wort im Kontrast zur aktuellen Jahreszeit nahezu überschlägt: Wachstum, Wachstum, Wachstum.

Auch Münster wird vom neuen Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) als „wachsende Stadt in Europa“ gesetzt. Und mit gleicher Logik ist vom Ausbau des Flughafens die Rede, vom Nr. 1 sein wollen in der Nanotechnologie, dem Beste sein wollen unter den deutschen Wirtschaftsstädten.

Und am prägnantesten: Münster soll auf 290.000 Einwohner anwachsen. Das wäre dann das augenfälligste Merkmal einer wachsenden Stadt. Auch wer den aktuellen Stadtplan Münsters aufschlägt, kann sie förmlich vor sich hin pfeifen, die Schlüsselwörter der modernen Stadtentwicklung: Autobahnzubringer, Baulandausweisung, Neubaugebiete, Straßenneubau, Stadterweiterung.

Und da das Stadtgebiet mit seinen über 300 Quadratkilometern verführerisch flach und groß ist, kennt dieser Wachstum scheinbar keine Grenzen. Doch immer mehr Stimmen warnen, auch in der bürgerlichen CDU.

Lokal hat man erkannt, dass neue Einfamilienhaus-Siedlungen nur wenig zukunftsfähig sind. Auch der NRW-Umweltminister prangert den Flächenfraß an, der in NRW täglich zur Versiegelung von 15 Fußballfeldern führt. Beide Erkenntnisse werden von der Fachwelt schon seit Jahrzehnten beklagt. Nicht mehr das rein qualitative Wachstum an Betrieben, Arbeitsplätzen und Einwohnern zählt, sondern neue Qualitäten sind entscheidend: im Flächenmanagement, im nachhaltigen Wirtschaften und im Klimaschutz.

Auch für das Wachstum der Stadt Münster wurden in den letzten Jahren viele Hektar Landschaftsraum ver-braucht. Zwar kann Münster auch schon längst Verdichtungs- und Transformationsprojekte (Kasernen, Sportflächen, Schlachthof, etc.) in der Innenstadt vorweisen, doch prägen gerade immergleiche Neubausiedlungen in den Stadtteilen das jüngste lokale Baugeschehen. Und das, obwohl es ambitionierte In-strumente wie das Integrierte Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept (ISM) oder den Klimapakt gibt.

Zentrale Zukunftsprojekte für Münster könnten sein: ein weiträumiger Grünordnungsplan, ein Bahnflächenentwicklungsplan sowie ein Hafenforum zur Entwicklung des altstadtgroßen Hafenareals. Schon heute gilt der Satz, um die Intelligenz von Städten zu prüfen: Zeige mir, wie Du wächst und ich sage Dir, wie Du bist. Wenn sich Münster in den nächsten Jahren nur weiter ausbreiten würde, wäre nicht viel gewonnen.

 

Stefan Rethfeld