Schatzkiste Ruhrpott
so gesehen
Ausgabe 01.2010
architektur stadt ms (2010)
Stadthafen Münster: Am Dortmund-Ems-Kanal fühlt man sich dem Ruhrgebiet schon nah. Foto: Jan Rinke

Stadthafen Münster: Am Dortmund-Ems-Kanal fühlt man sich dem Ruhrgebiet schon nah. Foto: Jan Rinke

Am 9. Januar werden wir es noch mal begrüßen: das neue Jahr. Diesmal als Europäisches Kulturhauptstadtjahr im Ruhrgebiet oder kurz: Ruhr 2010. Wie nie zuvor wird damit der größte Ballungsraum in Deutschland mit seinen 5,3 Millionen Menschen im Mittelpunkt internationaler medialer Berichterstattung stehen. Das Hauptaugenmerk des Programms gilt dabei dem Gedanken, die über 53 ineinander übergehenden Gemeinden und 12 Großstädte als einen Gesamtorganismus, als Metropole Ruhr, zu kommunizieren.

Dabei dürfte die Kommunikation nach Außen an das interessierte Kultur- und Fachpublikum leichter fallen, als der interne Austausch zwischen den einzelnen Rathäusern oder zwischen den Bürgern. Denn die Orte, die sie bewohnen, erweisen sich als höchst unterschiedlich: Manche wurden durch den Bergbau erst hervorgebracht, andere können mehrere Jahrhunderte Geschichte aufweisen.

So gibt es in dem Konstrukt Ruhrgebiet, der Name existiert erst seit 1930, neben der vielfältigen Industrie- und Siedlungsarchitektur auch Burgruinen auf den Ruhrbergen, Wasserschlösser in der Emscherniederung, Fachwerkstädte und sogar romanische und gotische Dorfkirchen zu entdecken. Es ist daher klug, dass sich die Programmmacher nicht nur der rund 160-jährigen Reviergeschichte widmen, sondern auch den teilweise deutlich älteren unbekannten Orten, wenn sie den „Mythos Ruhr“ beschwören wollen.

Zum gänzlich neuen Bild wird sicher die neuere Kulturlandschaft beitragen, deren Wert vielfach erst noch bekannt werden muß: denn mit über 120 Theatern, 100 Konzertstätten und 200 Museen zählt sie zu den dichtesten der Welt. Für das Jubiläumsjahr haben viele ihre Kompassnadel aufeinander eingestellt, eine harte Prüfung, wo sonst Kirchturmdenken vorherrscht.

Münster und Westfalen ist mit all dem eng verbunden, historisch wie auch aktuell. Nur zwanzig Zugminuten oder zwei Autobahnausfahrten nördlich entfernt können wir als Tagestouristen das Programm hier und da erleben. Den typischen Ruhr 2010-Besucher wird es hierbei nicht geben, dafür ist da Programm zu umfangreich und die Möglichkeiten von den fünf Besucherzentren in Essen, Duisburg, Oberhausen, Dortmund und Bochum zu vielfältig.

Sicher ist: die Identität des Ruhrgebiets wird wachsen. Mit Spannung darf daher auch der Wahlkampf zur Landtagswahl im Mai 2010 erwartet werden. Denn Ruhr 2010 wird unweigerlich den Gedanken befördern, die Einheit des Ruhrgebiets zu fordern. Nicht nur im verführerisch planerischen Sinne als Metropole Ruhr, sondern auch politisch als eigenen Verwaltungsbezirk, gleichwertig zwischen Rheinland und Westfalen. Eine solche Vorlage werden die Befürworter in den nächsten Jahrzehnten nicht wieder bekommen. Ein spannendes Jahr beginnt.

 

Stefan Rethfeld