Von Zürich lernen: Konzeptioneller Städtebau
so gesehen
Ausgabe 03.2008
architektur stadt ms (2008)
architektur stadt ms: Ausgabe 03.2008

architektur stadt ms: Ausgabe 03.2008

Münster ist in Bewegung. Nicht nur Bagger und Kräne drehen sich an vielen Stellen, auch Architekturveranstaltungen lösen wahre Völkerwanderungen aus. Über 350 Zuhörer kommen regelmäßig abends zusammen, um Vorträge im Landeshaus oder auf dem Leonardo-Campus zu verfolgen. Ob bei „Architektur im Kontext“ oder den „Stadtansichten“: Kein Platz bleibt leer, selbst die Treppenstufen sind vollbesetzt. Wenn das Licht ausgeht, sind die Erwartungen groß. Wie kann Stadt gedeutet werden, wie neue Orte generiert? Wie wird in Westfalen gebaut, wie anderswo? Und was macht eigentlich gute Architektur aus?

Für Überraschung im bisherigen Architekturfrühling sorgte jedoch kein Architekt, sondern ein Amtsleiter: Franz Eberhard, Direktor des Amtes für Städtebau in Zürich. Sein Ansatz des „konzeptionellen Städtebaus“ ließ aufhorchen, setzt er doch verstärkt auf Kooperation zwischen denen, die deuten, planen, bauen und bezahlen. Was sich dahinter verbirgt, ist eine Architektur hinter der Architektur. Nicht das Resultat steht zu Beginn im Mittelpunkt des Prozesses, sondern das Öffnen von Spielräumen. Machbarkeiten werden an zuvor erarbeiteten städtebaulichen Leitbildern und Grundregeln verhandelt und ermöglichen Partnerschaften für Projekte: so für die Umnutzung von Industriearealen, für qualitativ hochstehende Verdichtungen, für öffentliche Plätze, für ein Hochhauskonzept und den Plan Lumiére, ein Lichtkonzept für die Gesamtstadt. Spitzenarchitektur wird konsequent gefördert, Konkurrenzverfahren gehören heute zum Standard, gerade auch bei öffentlichen Bauten.

Selbst Stadtteile haben mit neuer Architektur ein eigenes Gesicht erhalten. Die unterschiedlichen Brüche, Facetten, Ausdehnungen und Reichweiten der Stadt dienen als kreative Reibungspunkte. Die Stadt wird nicht länger statisch mit ihren bau- und zonenrechtlichen Vorgaben verstanden, sondern als Organismus und so auch in unterschiedliche Lesarten, Visualisierungen und Modelle übersetzt.

Möglich wurde diese Schubumkehr vor allen Dingen durch die Reorganisation der Bauverwaltung mit ihren Ämtern. Heute agieren diese gelöster und angstfrei, man lässt sich in die eigenen Karten blicken. Zürich hat so in den letzten Jahren ein städtebaulich wie architektonisch hohes Niveau erreicht. Von Zürich lernen? Unbedingt. Denn die Stadt versteht es, etwas bei Bürgern wie Investoren zu gewinnen, dass wie ein Fundament wirkt: Vertrauen.

Und das erst macht Neues denkbar und Zukunft spürbar. Ein zentrales Element stellt dabei das Stadtmodell dar, das jedem Beteiligten sein Haus als Baustein der ganzen Stadt zeigt. Auch Münster wäre mehr Kreativität zu wünschen im Umgang mit dem, was architektonisch, stadträumlich, historisch zur Verfügung steht. Dass die Münsteraner neugierig sind, ist keine Frage.

 

Stefan Rethfeld