Hochhäuser in der Stadt: Und täglich grüßt der Einzelfall
so gesehen
Ausgabe 07.2008
architektur stadt ms (2008)
architektur stadt ms: Ausgabe 07.2008

architektur stadt ms: Ausgabe 07.2008

Es gibt eine Altstadt, einen Innenstadtring und Stadtteile. Und diese werden durchzogen von radialen Stadteinfallstraßen. Kaum eine Stadt ist im Grundriss so einfach zu lesen wie Münster.

Und auch die Ansicht ist bisweilen klar, dominieren doch seit Jahrhunderten zahlreiche Altstadtkirchen die Silhouette. Wer Münster heute auf der Promenade oder dem Ring umrundet, kann ihre Türme in den unterschiedlichsten Staffelungen, mal vorne, mal hinten, erleben. Wie jüngst der Rat der Stadt beschloss, soll nun mit dem ZEB-Tower ein neues Hochhaus Münsters Silhouette ergänzen. Und dies in der heiligsten Ansicht, dem Nordwest-Panorama von der Steinfurter Straße kommend. Hier zeigen sich die stolzen Türme von Dom und Überwasserkirche, von Lamberti- und Martinikirche, häufig vergoldet im Abendlicht.

Dass dieser Eingriff Unmut erzeugt, kann kaum überraschen. Fachleute wie Bürger sind aufgebracht. Schon seit Jahren, denn der jetzige Entwurf stellt bereits den dritten Vorschlag des Architekten Rainer M. Kresing dar. Begonnen wurde es als York-Center, bekam dann den Namen „T14“ und wurde jetzt als „ZEB-Tower/i-land“ erneut vorgelegt. Der Streit um das Haus erzürnt sich nicht am Investor, noch nicht mal am Architekten, auch die Höhe, über die in den Ratsfraktionen kindisch gestritten wurde („nicht höher als der Dom“) ist letztlich nachrangig.

Der Unmut ist im Raum, weil dieses Vorhaben nicht mit Blick auf die Gesamtstadt nachvollziehbar entwickelt wird. Ganz konkret mangelt es an einem Hochhauskonzept, das die Stadt als Ganzes denkt. Wo sind die weniger empfindlichen, wo die sehr empfindlichen Zonen für Hochhäuser? Wo aber auch kann die Stadt sinnvoll in ihrer Silhouette ergänzt, wo gar eine neue moderne Skyline entwickelt werden? Stattdessen soll auch weiterhin in Münster alles im Einzelfall entschieden werden.

Vertrackt an diesem Vorgehen ist, dass so sicher jedes Hochhausprojekt auch künftig zum Politikum werden wird, und städtebauliche wie architektonische Belange oftmals in der Debatte verschluckt werden. Münster sollte aus der Vergangenheit lernen: Viele Hochhäuser sind als Merkwürdigkeiten bislang im Windschatten der Öffentlichkeit ohne Gewinn für die Stadt errichtet worden, ob die Stadthäuser I und II oder die Bürohäuser an Bült und Hammer Straße in der Wiederaufbauzeit. Auch das bereits genehmigte und kurz vor Baubeginn stehende Hochhaus am Pottkamp ist unnötig.

Dringend sollte das Stadtbild sorgfältig analysiert werden, und die gesamte Stadt als Bezugsraum dienen. Möchte Münster, gerade auch in seinen Stadtansichten nicht austauschbar werden, muß hier die Stadtpolitik für eine belastbare Grundlage sorgen. Schließlich stellt nicht das Einzelbauwerk Zukunft dar, sondern der konzeptionelle Rahmen, der dieses qualitätvoll ermöglicht. Es geht darum, der Stadt insgesamt Energie zu geben.

 

Stefan Rethfeld