Kluge Köpfe meinen, künftig seien nur noch zwei Politikebenen entscheidend: die kommunale und die europäische. Bund und Land geben längst immer mehr Entscheidungen nach unten oder oben ab. Die Region wird dabei zur zwingenden Instanz. Denn je beweglicher Menschen, Waren und Dienstleis-tungen die Welt umrunden, desto mehr wird es in der globalen Konkurrenz auf das Spezifische einer Region ankommen.
Über welche Geschichte und Strukturen verfügt sie, was zeichnet sie kulturell wie wirtschaftlich aus? Und welches Kapital an Wissen, Projekten und Ideen steckt in ihr? Auch das bis heute ländlich geprägte Münsterland mit seinen vier Landkreisen Coesfeld, Steinfurt, Warendorf, Borken wird sich hier neu definieren müssen – und zeigt sich heute schon in Teilen als außerordentlich erfolgreiche Wirtschaftsregion.
So gilt Coesfeld, der westlich gelegene, kleinste Kreis, dank einer Made in COE – Wirtschaftspolitik bei einer Arbeitslosenquote von nur vier Prozent als Kleiner Tiger Nordrhein-Westfalens. Und Steinfurt, der nördliche Nachbar, konnte sich mit dem Flughafen Münster-Osnabrück, diversen Post-, Güterverteil- und Güterverkehrszentren sowie großen Speditionen als internationale Logistikadresse ebenso neues wirtschaftliches Terrain sichern.
Von entscheidender Bedeutung wird dabei die Frage des zukünftigen Raummodells sein. Wird man das historische, nahezu idealtypische Zentren-Modell mit Münster als Kernstadt fortsetzen oder aber auf ein polyzentrisches umschwenken? Schon heute bedienen sich die 1, 6 Millionen Einwohner je nach Gelegenheit anderer Muster: sie tanken in den Niederlanden, kaufen in Enschede Kaffee, finden die Megamalls des Ruhrgebietes ganz praktisch, ge-nießen in Bochum und Osnabrück das Theater, hören Konzerte in Dortmund und Essen, erstehen seit 30 Jahren am Kamener Kreuz ihre Möbel und starten von Hamm mit dem ICE oder ab Dortmund mit dem Flieger.
Nicht alle Fäden laufen mehr in Münster zusammen, wie einst die Pilgerrouten zum Dom, die Handelswege zu den Marktplätzen oder die ersten befestigten Straßen, die Wasserburgen mit den Stadtpalais verbanden. Heutige Verkehrsmittel haben den Landschaftsraum längst gleichwertiger erschlossen und ermöglichen Intensitäten auch jenseits eines historischen Schwerpunktes. Diese Fragestellung illustrieren gerade auch drei aktuelle Zunkunftsprojekte der Stadt: Flughafen FMO, Hauptbahnhof und Musikhalle. Während der Aus- bzw. Neubau der beiden Verkehrsprojekte wohl bald endgültig grünes Licht bekommen wird, beförderten die Münsteraner das Musikhallenprojekt erstmal wieder zurück auf Start. Insofern werden auch die Münsteraner verstärkt auf Reisen gehen müssen. Im Konzert Theater Coesfeld findet passenderweise der erste Münsterlandtag (kalender 28. 5.) statt. Das Thema: Die Zukunft der Region.
Stefan Rethfeld