Wissenschaftsstadt Münster: Mehr Identität wagen
so gesehen
Ausgabe 05.2009
architektur stadt ms (2009)
Architektur im Freilandversuch: Max-Planck-Institut in Gievenbeck. Foto: Stefan Rethfeld

Architektur im Freilandversuch: Max-Planck-Institut in Gievenbeck. Foto: Stefan Rethfeld

Wer eine Tour durch die Wissenschaftsstadt Münster unternimmt, erlebt die unterschiedlichsten Räume. Über 30 wissenschaftliche Einrichtungen, allen voran die Westfälische Wilhelms-Universität mit allein über 212 Gebäuden, bevölkert von über 38.000 Studenten und 5000 Mitarbeitern, verteilen sich im Stadtgebiet.

Die Petrikirche kündet noch von den Anfängen als Jesuitenkolleg, das umgebende Überwasserviertel als Areal an die Universitätsgründung 1773 durch Fürstenberg. Preußische Politik sorgte schließlich 1818 für die Schließung der Universität, und später 1902 für deren Neugründung: den daraufhin erfolgten Ausbau dokumentieren bis heute die ehemalige Sternwarte, Bibliothek und Kliniken.

Den größten Sprung erlebte die Hochschulstadt nach 1945, als zum Überwasserviertel das Schloss als Universitätssitz samt Umfeld hinzukam – und später große Teile des westlich gelegenen Stadtviertels Gievenbeck. Der Bau des Zentralklinikums 1983 verstärkte nochmals diese Orientierung und zeigt sich seitdem selbstbewußt in Form der Bettentürme in der Stadtsilhouette.

Auch als 1971 die Fachhochschule hinzustieß, bevorzugte sie ebenfalls für ihre Institute den Westen – erst im Jahr 2001 bezog der Fachbereich Architektur zusammen mit der Kunstakademie den Leonardo Campus, die Designer folgen gerade. Alle drei Gebiete, ob Überwasser, Schloss oder Gievenbeck sind bis heute als einzelne Inseln wie auch als große Wissenschaftszone erfahrbar.

Woran es jedoch fehlt, sind Maßnahmen, die Geschichte des Gebietes wie auch deren heterogenen Gebäu-deensembles als Ganzes zu denken. Nur wenige Bauten wie Stadträume sind sichtlich aufeinander bezogen. So fehlt beispielsweise ein Wegekonzept zwischen den ansonsten gelungenen Einzelarchitekturen Technologiehof (Bolles+Wilson, 1993) und Max-Planck-Institut (Rainer M. Kresing, 2006), auch der Schlossgarten wirkt in seiner Gestalt hinter dem Schloss unentschieden, vom Hindenburgplatz gar nicht erst zu reden.

Ebenso ist das traditionsreiche Umfeld der Petrikirche verbesserungswürdig, ist es denn noch von Holzbaracken und rostigen Fahrradständern geprägt. Selbst der Platz an der Pferdegasse, der dem Gründer der Universität Franz von Fürstenberg gewidmet ist, hat eher den Charme eines leeren Campingplatzes. Kein Wunder, dass der Geehrte über ihn hinweg schaut – in Richtung Domherrenfriedhof, wo er begraben liegt.

Wenn Münster als Wissenschaftsstadt international konkurrieren will, müssen dringend Architekturaspekte und Stadtraumfragen mehr Beachtung finden. Viele geplante Neu- und Umbauprojekte geben dazu in Kürze Gelegenheit: Schloßsanierung und Nano-Institut, Uniklinikum-Erweiterung und Geografie-Institut. Die akademische Welt ist nicht nur Grundbaustein der Westphaliae Metropolis Monasterium gewesen, sondern auch deren Zukunft.

 

Stefan Rethfeld