Schon wieder ein Riegel
Philosophikum am Domplatz in Münster
20.5.2011
Bauwelt (2011)
Philosophikum Münster: Erweiterungsbau von Peter Böhm - Zeichnung: Peter Böhm Architekten

Philosophikum Münster: Erweiterungsbau von Peter Böhm - Zeichnung: Peter Böhm Architekten

Im Rahmen des Modernisierungsprogramms für Hochschulen finanziert Nordrhein-Westfalen die Sanierung und Erweiterung des Philosophischen Seminars am Domplatz in Münster. Der feingliedrige Siegerentwurf von Peter Böhm folgt einer für die Neubauten der Stadt typischen Form und ermöglicht einen neuen öffentlichen Weg.

 

Adresse zwischen Aa und Domplatz

Wer mittwochs und samstags auf dem Wochenmarkt vor dem Dom in Münster einkauft, kann in eine höchst lebendige urbane Atmosphäre eintauchen und den ehemaligen Domhof als weiten Platz mitten in der Stadt erleben. Jahrhundertelang war dieser Platz von Kurienbauten eingefasst. Ab 1815, mit dem Übergang Münsters vom Fürstbistum zur preußischen Provinz, wandelte sich das Bild grundlegend: Die preußische Regierung ließ repräsentative Bauten im neuen Maßstab errichten. Post-, Bank- und Regierungsbauten sowie ein Landesmuseum machten den klerikalen Ort zum politischen und kulturellen Zentrum der Stadt. Auch die Universität, die aus einem Jesuitenkolleg hervorgegangen war, reihte sich als neue öffentliche Institution mit einem stattlichen Akademiegebäude (1875–87) ein. Von dem repräsentativen Glanz hat sich nach Kriegsschäden und Abrissmaßnahmen der 60er-Jahre nur wenig erhalten.

 

Vorm Priesterseminar zum Unigebäude

Das Ludgerianum, mit seiner neogotischen Fassade aus Kochener Sandstein und mit reicher Bauplastik von Franz Ewertz, hat die Zeitwirren überlebt. 1903 war es vom Bistum nach Plänen von Franz Wucherpfennig als Priesterinternat errichtet worden – auf einem langgestreckten, zum Aa-Ufer hin abfallenden Grundstück. Recht bald aber hatte das Bistum die Schwächen des schmalen Hauses – hohe Räume, lange Flure und kaum seitliche Ausdehnungsmöglichkeiten – erkannt. 1960 wurde es an die Universität verkauft, die es seitdem unter dem Namen Philosophikum für die Philosophische Fakultät und das Kunsthistorische Institut samt Studiobühne nutzt. Immer mehr geriet die einstige Würde des Hauses in Vergessenheit, zwar erlangte es Denkmalschutz, doch die Behörden ließen es zuwuchern, angefügte Aufzugstürme und Fluchttreppen verstärkten den Hinterhofcharakter.

 

Wettbewerb für Sanierung und Erweiterung

Endlich! Muss man daher angesichts der neuen Pläne rufen: Die Universität und der Bau- und Liegenschaftsbetrieb BLB als Immobiliendienstleister möchten das aktuelle NRW-Hochschulmodernisierungsprogramm nun nutzen, um diesen prominenten Ort wieder in Wert zu setzen. Im September 2010 wurde ein europaweiter Generalplaner-Wettbewerb ausgelobt, sechs Teilnehmer hatte der Auslober gesetzt (Auer+Weber, Stuttgart; Bolles + Wilson, Münster; Kresing, Münster; HPP, Düsseldorf; Léon Wohlhage Wernik, Berlin; Peter Bastian, Münster), neun wurden aus den Kategorien „jung“ und „erfahren“ gelost.

Aufgabe war nicht nur eine Modernisierung des Gebäudes, sondern die Optimierung des Bestandes durch Neustrukturierung und Erweiterung. Ein detailliertes Raumprogramm war nicht vorgeben, die Teilnehmer sollten selbst prüfen, wieviel Nutzfläche der Ort verträgt.
Im Ergebnis zeigen sich denn auch sehr unterschiedliche Strategien, die Raumreserven zu aktivieren.

 

Zwei dritte Preise – mm Architekten und Bolles+Wilson

Mit viel Raffinesse ist dies mm Architekten aus Hannover (ein 3. Preis) gelungen. Statt neuer Baukörper entwickeln sie aus der Topographie des Grundstücks ein Sockelgeschoss, welches zwischen Erdgeschoss und Gartenebene vermittelt und neue Spazierwege auf dem
parkähnlichen Gelände ermöglicht.
Aufwändiger in der Formensprache ist der Entwurf von Bolles + Wilson (ein 3. Preis), die mit einer Gebäudeskulptur den Raum prägen wollen, damit aber der an sich schon bewegten Fassade des Bestandsgebäude den Raum nehmen.

 

Der Siegerentwurf von Peter Böhm – ein neuer Riegel

Vermittelnd hingegen wirkt der Entwurf von Peter Böhm (1. Preis), der einen langen ruhigen Baukörper darstellt, und damit den Außenraum als Rampe zum Park akti­viert.

Schon wieder ein Riegel! Mag mancher angesichts der Juryentscheidung gedacht haben. Denn wer die Neubauten in der Münsteraner Innenstadt anschaut – Max Dudlers Diözesanbibliothek von (2005), die Erweiterung der Universitätsbibliothek von Pfeiffer Ellermann Preckel (2010) und Volker Staabs Landesmuseum, das 2014 eröffnen soll – entdeckt eine Tendenz zu langen schmalen Bauten. Diese Typologie scheint aber eine gute Möglichkeit zu sein, neues Volumen und Bewegung in eine enge Stadt zu bringen.

 

Hoffnung auf feinfühlige Umsetzung

Der Hof im Entwurf von Peter Böhm wird ein öffentliches Raumangebot darstellen. Falls der Wettbewerbssieger nach dem angeschlossenen Verhandlungsverfahren beauftragt wird, könnte das Gebäude wieder zum architektonischen Glanz zurückfinden, den es in Zeiten seiner kirchlichen Nutzung einmal gehabt hat. Dabei wird es darauf ankommen, dass die Auftraggeber die feine Poesie von Böhms Entwurf zu verstehen wissen. Schließlich könnte das Philosophikum der Auftakt für die sichtbar notwendige Neustrukturierung des gesamten Universitätsareals werden: Hier gilt es, dem Gründungsort der Universität Münster ein angemessenes Gesicht zu geben. Die Philosophie als Baustein könnte den Anfang markieren. Wie in der Welt der Geisteswissenschaften auch.

 

Stefan Rethfeld

Zum Artikel: Bauwelt Heft 20.2011, www.bauwelt.de