Die jüngsten Monate der Forschung standen im Zeichen der WestLB-Bauten. Sie stellten im Werk Deilmanns eine Schlüsselposition dar, verweisen sie doch auf wesentliche planerische Grundsätze und Auffassungen. Errichtet wurden Neubauten ab 1967 an den beiden Hauptorten Münster und Düsseldorf, Niederlassungen in Dortmund und Luxemburg, Umbauten in Frankfurt/M, Köln und Essen sowie Repräsentanzen in London und New York.
Lob für die vielfach abgewandelte äußere Gestalt
Der Standort Münster markierte den Beginn. Hier lernte Deilmann 1966 den Bankier Ludwig Poullain kennen, seinen im Rückblick vielleicht wichtigsten und prägensten Bauherrn. Er bereitete seinerzeit die Fusion der rheinischen und westfälischen Landesbank zur Westdeutschen Landesbank Girozentrale (West LB) vor. Ebenso wie Deilmann drängte es ihn, bestehende Strukturen aufzubrechen, das Neue zu wagen, jedoch ohne revolutionären Akt, sondern durch Diplomatie und kreatives Geschick. Beide rhetorisch begabt, wirkten sie in ihren Feldern und vertrauten sich blind im gemeinsamen Tun. Denn schon bald galt es, der neuen Bank, der nunmehr größten der Republik, eine neue Gestalt zu geben. Deilmann, zunächst nur für Standortuntersuchungen in Münster und Dortmund engagiert, avancierte immer mehr zum generellen Denkpartner für den Bankchef, der ihn daraufhin zu einem beschränkten Wettbewerb mit vier Architekten einlud. Im diesem gelang es ihm, sich gegen die Büros von Helmut Hentrich, Hanns Dustmann und Manfred Ludes durchzusetzen. Die Jury unter der Leitung von Paul Schneider-Esleben lobte: „Die besonders differenzierte und vielfach abgewandelte äußere Gestaltung wurde bisher für Bankgebäude selten verwendet, ist aber für ein Bankgebäude dieser Art durchaus angemessen.“
Interesse an neuartiger Raumkonzeption
Für Deilmann kam diese Herausforderung zu einem günstigen Zeitpunkt. Denn hier konnte er nunmehr die Raumstudien anwenden, die ihn seit geraumer Zeit fesselten. Erste Verwaltungsbauten hatte er schon früh mit dem Rathaus Nordwalde (1957), Nordwest-Lotto (1958) und dem Kreishaus (1962) in Münster errichtet, weitere eher funktionalistische Ansätze in eingeladenen Wettbewerben für die Landeszentralbank Düsseldorf (1957) oder die Hamburger Elektrizitätswerke (1963) erprobt. Bereits beim Rathaus-Projekt Leverkusen (1964, unrealisiert) folgte Deilmann einer neuartigen Raumkonzeption, in dem er begann, aussen- und innenräumliche Komponenten noch stärker als Ressource für eine eigenständigere Formgebung zu nutzen. Nicht länger Kisten, Kuben, Scheiben, sondern Baukörper in neuer Gestalt und vielfachem Bezug zur Umwelt. Früh von Alvar Aalto beeinflußt, dessen „themengetreuen, antiakademischen“ Formen (Bruno Zevi) ihn zeitlebens beeindruckten, verstärkten auf mehreren USA-Reisen in den 1960er-Jahre insbesondere Bauten (u.a. Yale School of Art and Architecture, 1958-63) des nahezu gleichaltrigen Paul Rudolph (1918-97) sein Interesse an einer Wiederbefreiung des Grundrisses, am frei horizontal wie vertikal fließenden Raum.
Bänderung als Markenzeichen
Für Münster wählte er so eine stark terrassierte Anordnung mit der er gleichermaßen auf städtebauliche Belange sowie innere Raumstrukturen reagieren kann und die ihm Optionen für Änderungen sowie Erweiterungen bot. Ursprünglich noch mit Turm versehen, wurde der in zwei Abschnitten realisierte Bau in der Planungszeit mehrfach verändert – was die Eleganz des Gebäudes jedoch nicht mindert. Die raumabschließende Fassade wurde aus Cor-Ten-Stahlprofilen zusammengesetzt, ein horizontales Band aus weißen Sichtbetonteilen umfing begehbare Terrassen und umlaufende Fluchtwegbalkone. Gerade diese elastische Bänderung wurde später zum unverwechselbaren Markenzeichen der WestLB, für dessen graphisches Erscheinungsbild Deilmann ab 1968 auch mit Otl Aicher zusammenarbeitete. Nach Münster folgte ein kompakter und formenreicherer Neubau in der Dortmunder Innenstadt (1975-78) – mit mehreren Zugängen und öffentlicher innenliegender Passage. Ein Neubau für Luxemburg entstand in den Jahren 1976-79, zeitgleich zu den Planungen für den Hauptsitz Düsseldorf, dessen Bauzeit sich bis in die 1980er-Jahre erstreckte.
Bauten stehen für Offenheit und Innovationsfreude
Im Rückblick ergeben die WestLB-Neubauten in ihrer Gesamtheit eine überraschende Bauausstellung, zeigen sie doch bei gleichem Erscheinungsbild ein Panorama unterschiedlicher Haustypen: Münster – die Landschaft, Dortmund – die Skulptur, Düsseldorf – der Block, Luxemburg – die Villa. Wenn sich die West LB im Juni 2012 auflösen wird, werden zwar die Schilder abgeschraubt, doch die Bauten wirken weiter. Sie künden von einer Zeit, als die junge Bundesrepublik begann, sich vom „Packeis“ (Hermann Glaser) der Nachkriegszeit zu befreien, um einen neuen Wärmestrom zu ermöglichen. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung der Bank letztlich gescheitert ist, sie seit den 1980er-Jahren immer mehr an Identität und Vision einbüßte, dokumentieren die Bauten Offenheit und Innovationsfreude und stehen bei aller Freiheit auch für eine Verbundenheit mit ihrem Umfeld, der sie umgebenden Stadt und den Menschen, die sie nutzen.
Denkmalschutz als Zukunftsaufgabe
Noch sind alle Gebäude weitgehend erhalten, wenn auch Sanierungen die Innenwelten bedauerlicherweise stark verändert haben. Den Hauptsitz Münster hat schon seit geraumer Zeit die zunächst bankeigene, jetzt selbstständige Landesbausparkasse LBS in Gänze übernommen und sichert zumindest so das äussere Erscheinungsbild. In Düsseldorf werden Umstrukturierungen erwartet, ebenso in Luxemburg: Ein neuer Eigentümer überdenkt derzeit mögliche Optionen, darunter auch den Abriss. Es ist dringend zu prüfen, sie unter Denkmalschutz zu stellen. Dortmund hat es bereits getan. Das Gebäude soll künftig als Gesundheitshaus dienen. In der Dissertation werden die West LB-Bauten ein eigenes Kapitel einnehmen.
Stefan Rethfeld
Zum Artikel: Stiftung Deutscher Architekten