Neu in … Luxemburg
Neue Nationalbibliothek in Luxemburg von Bolles+Wilson
05.12.2019
deutsche bauzeitung (2019)
Bolles+Wilson: Nationalbibliothek Luxemburg - Foto: Christian Richters

Bolles+Wilson: Nationalbibliothek Luxemburg - Foto: Christian Richters

Über Jahrhunderte galt Luxemburg als unbezwingbare Festung. Das heutige Bild setzt dagegen auf europäische Verständigung und globale Öffnung. Der Bau einer Nationalbibliothek ist daher nicht nur konzeptionell, sondern ebenso architektonisch eine Herausforderung. Wie gesichert einerseits, wie offen andererseits sollte sich ein solcher Kulturbau geben? Das Architekturbüro Bolles+Wilson fand eine Antwort, die diesen Gegensatz spannungsvoll in ein Raumkonzept übersetzt.

 

Neuer Ort für Nationalbibliothek

Seit ihrer Gründung im Jahr 1899 wechselte die Nationalbibliothek oftmals die Adresse, ihre Bestände schlummerten zuletzt in über sieben Provisorien, das ehemalige Jesuitenkolleg, in dem sie seit 1973 hauptsächlich untergebracht war, bot nur wenig Ausbaupotenzial. So sollte sie auf den Kirchberg in einen erweiterten Altbau hinaufziehen, in direkter Nachbarschaft zu Philharmonie (Portzamparc) und Museum für Moderne Kunst (Pei). Der Siegerentwurf im internationalen Wettbewerb 2003 (Bolles+Wilson) überzeugte u. a. mit offenem Foyer und besonderem Panoramablick auf Altstadt und Landschaft. Umso schwerer wog die Regierungsentscheidung im Jahr 2009 für einen Bauplatz weiter nördlich, weil der Altbau nicht schnell genug herzurichten war.

 

Einladende Geste zur Allee

Doch die Architekten haben die neue Aufgabe ebenso gemeistert. Ihr gänzlich neuer Entwurf orientiert sich an der vorhandenen Blockstruktur. Anders als die benachbarten zumeist grauen Bürobauten öffnet sich der Neubau mit großer Geste zur Allee. Ein großes, kühn geschnittenes Eingangsportal gewährt freien Blick in das transparente Foyer des mit rot durchgefärbten Betonfertigteilen bekleideten Kulturbaus. Die Landesfarben Rot-Weiß-Blau werden zum Corporate Design. Rückwärtig steigt der Neubau dagegen aus einem Steinsockel auf, der aus fragwürdig gestalteten Gabionen gebildet wurde, die Festungsgeschichte des Landes zitierend. Umso befreiender dann die Innenwelt. Auf vier Stockwerken laden Treppen, Rampen und Galerien zum Entdecken der verschiedenen, terrassenförmig angeordneten Lese-Stationen ein.

 

Hymne und Jazz zugleich

Der weite, vordere Raum wird von baumhaften Stützen getragen, durch die Decke fällt indirektes Tageslicht. Im hinteren Bereich liegen die Magazine. Das architektonische Erbe der Bibliotheksbauten von Hans Scharoun und Alvar Aalto scheint durch.

Luxemburg erhielt für 75 Mio. Euro eine Architektur, die Hymne und Jazz zugleich ist. Ein feierlicher und dabei freier Wissensort. Es besteht Hoffnung, dass er das Plateau kulturell belebt – die Tram hält heute schon direkt vor der Tür.

 

Informationen:

Standort: 37d Avenue John F. Kennedy, L-1855 Luxemburg
Architekten: Bolles+Wilson, Münster
Bauzeit: 2014 bis 2019 (Eröffnung: Oktober 2019)

Zur Website: bnl.public.lu

 

Stefan Rethfeld

Zum Artikel: db deutsche bauzeitung