Münster will meer
so gesehen
Ausgabe 05.2010
architektur stadt ms (2010)
Die größte Wasserader der Stadt: Dortmund-Ems-Kanal bei Münster. Foto: Stefan Rethfeld

Die größte Wasserader der Stadt: Dortmund-Ems-Kanal bei Münster. Foto: Stefan Rethfeld

Von Natur aus ist Münster nicht gerade nahe am Wasser gebaut. Die Stadt liegt auf einer platten trockenen Ebene. Zur Nordsee sind es nach Norden und Westen jeweils rund 250 Kilometer, zum Ijsselmeer etwas weniger. Wir liegen fest, umgeben von Landschaft, weit entfernt von Küsten und Stränden, Flut und Ebbe. Und wir müssen akzeptieren, dass das meiste Wasser sich wohl eher über uns – tropfenförmig – versammelt.

Es ist daher kein Wunder, dass die Wassersehnsucht der Münsteraner durch Zweit-wohnsitze auf friesischen Inseln oder durch südliche Apartments in Flugentfernung gestillt wird. Alle anderen, sie bleiben träumend zurück.

Ihnen bleiben die kleinen Ströme der hiesigen Landschaft: die Aa, die Werse, die Ems. Oder aber die künstlichen Wasserprojekte der älteren und jüngeren Vergangenheit: die Gräften und Schanzen, der Kanal samt Hafen und der Aasee.

Es ist eine alte Weisheit, dass Wasser Menschen anzieht. Und es wäre uferlos, dokumentieren zu wollen, wie sich der Blick des Menschen in der Kulturgeschichte auf das Wasser verändert hat. Gerade auch in unseren Breitengraden verloren jüngst die Wasserorte an industrieller Bedeutung und wurden Attraktoren einer neuen Freizeitgesellschaft, leider mitunter oftmals bis zur Überdüngung mit Events.

Hiervon zeugen in Münster der Kreativ-Kai mit Coconut-Beach, der Zaubersee am Germania-Campus und die neuen Aasee-Terrassen (s. kalender 08|08). Wenn es stimmt, dass man den Menschen immer auch an der Art seines Vergnügens erkennt, läßt dies tief blicken und die Frage stellen: ob wir den einfachen Blick auf Wasser überhaupt noch ertragen? Oder verbinden wir mit dem Medium Wasser gleichsam stets auch seine Inszenierung?

Der Makler, der scheint da der richtige Gesell’. Ebenso mächtig und raffiniert, wie Wasser sich seinen Weg bahnt, sind seitdem die Investoren und Planer unentwegt unterwegs, und nutzen jede Ritze oder Gesetzeslücke, um Projekte mit Wasserblick zu entwickeln. Kaum ein Grundstück, beispielsweise der Annette-Allee, der Goldküste des Aasees, das nicht in den letzten Jahren nochmals auf Verdichtungsmöglich-keiten hin überprüft wurde. Auch die Silberküste gegenüber, entlang Bismarckallee und Mecklenbecker Stra-ße, mutiert inzwischen zur Adresse für merkwürdige Wasserburgen: hier recken sich die Dächer, die Brüstungen blecken, ja ganze Häuser werden zum Wasser hin verdreht, vermutlich in gleichem Maß wie die Köpfe ihrer Planer und Bauherren.

Doch so ganz nebenbei ruinieren sie den bislang klaren, ruhigen Städtebau, und erzeugen statt weiter Blicke nur noch mehr sich gegenseitig störende Nachbarschaft. Und wo einst heitere Zivilisationsferne herrschte, er-weist sich die Architektur immer deutlicher als Krach. Was not tut? Stille Wasser. Doch die sind bekanntlich tief. Eine Eigenschaft, über die kein einziges Gewässer in Münster wirklich verfügt.

 

Stefan Rethfeld