Die Stadt, ein Garten
so gesehen
Ausgabe 08.2011
architektur stadt ms (2011)
Mitten im Gartenreich: Gartenhaus Kleingartenanlage Wienburg (Architekt Norbert Frede, 2011). Foto: Stefan Rethfeld

Mitten im Gartenreich: Gartenhaus Kleingartenanlage Wienburg (Architekt Norbert Frede, 2011). Foto: Stefan Rethfeld

Kein anderer Monat ist so sonnig eingebettet wie der August: gute Tage fühlen sich wie Honig an, der zäh von einem Löffel tropft. Häufig wechselt man für kurze Zeit den Ort, bereist das Fremde, das Unbekannte, sucht Ferne, Abenteuer und Gefahr. Doch auch das Zuhausebleiben kann zu neuen Entdeckungen führen. Gerade ein eigener Garten kann dazu einladen, ihn als eigene architektonische Wunderkammer zu interpretieren.

Immerhin ist er auch ein Stück Erde, der nach einem Plan angelegt wurde, mit unterschiedlich geeigneten Pflanzen für die verschiedenen Standorte. Wer nun die einschlägigen Gartenratgeber durchblättert, kann eindringen in die Welt der Pflanzenverwendungskunde, die uns mitunter beachtliche Parallelen zum Städtebau liefert.

Auf Münster übertragen ließe sich der Dom so als alles überragende Roseinterpretieren, die Lambertikirche als Rittersporn, dem Rosenkavalier schlechthin. Der Prinzipalmarkt wäre eher als weltlicher Bauerngarten aus Hortensien und Duftwicken zu sehen. Die Münster-Arkaden als Sonnenröschen (nicht bedrängender Rosenbegleiter), die Stubengasse als kriechendes Schleierkraut.

Bahnhof und Hafen wären dagegen gut in der Kategorie der Buntlaubigen Pflanzen darstellbar: sie bieten eine Fülle an Färbungen und Zeichnungen und sorgen für Abwechslung. Aufschlussreich auch, da diese gerade im Halbschatten wirkungsvoll zur Geltung kommen. Für Hochhausfans wird es dagegen im Kapitel der Solitärpflanzen interessant: diese Riesenpflanzen ziehen gewöhnlich alle Blicke auf sich, sind schwer integrierbar oder zu kombinieren, außer mit ihresgleichen. Bei diesen ginge es vielmehr darum, so der Rat, dass sie einen guten Standort mit genügend Raum erhalten, um ihre ganze Schönheit und Pracht richtig zu entfalten. Geeignete Stellen seien am Eingang oder im Vorgarten, an einer Weggabelung oder im Zentrum eines Rondells. Aha.

Gewerbegebiete könnten eher karg interpretiert werden: hier wachsen auf schweren Böden auch gerne anspruchslose Pflanzen, wie die Teppich-Glockenblume oder die Sterndolde, die sich an passenden Plätzen sogar selbst aussät. Tatsächlich verführt das bunte Gartenleben, einzelne Pflanzencharaktere auch bestimmten Architekturen zuzuschreiben. Denn wer kennt sie nicht, die Bauten, die gerade mal als Gehölz-unterpflanzung oder nur als Bodendecker nützlich sind, im Gegensatz zu den Langzeit- oder Dauerblühern (Stadttheater und Stadtbibliothek).

Und wer würde beim Schmetterlingsmagnet Purpursonnenhut nicht auch an die Aaseeterrassen denken, bei der Nachviole mit Abendduft an den Kreativkai, bei dem mit barockem Flair ausgestattetem Duftwunder Levkojenicht auch an den Erbdrostenhof? Was ist daraus zu lernen? Gärten und Städte können pralle Lebensfreude ausdrücken. Wie im wahren Leben kommt es stets immer auf den passenden Standort an. Wässern nicht vergessen.

 

Stefan Rethfeld