Es ist schon paradox: So sehr sich die Deutschen Zäune wünschen, um ihr eigenes Grundstück einzufrieden, so sehr sehnen sie sich im Stadtraum nach weitläufigen Parks: zum Spielen, zum Ausruhen, zum Sporttreiben, zum Grillen, zum Genießen. Der Park als Ort für alle. Die Sehnsucht nach gestalteter Natur ist selbst in einer grünen Stadt wie Münster ungebrochen. Und tatsächlich wuchert viel, und blüht und sprießt.
Doch erstickt der »Münster bekennt Farbe« -Rausch, der die Stadt regelmäßig im Glanze ihres Glückes zum Blühen bringen soll, die Debatte, welche Landschafts- und Naturideale wir heute anstreben. Landschaftsarchitektur bleibt nahezu ein Fremdwort.
Diesen Eindruck muss einmal mehr gewinnen, wer jüngste Grünanlagen der Stadt erblickt oder einfach nur bemerkt, dass im Beirat für Stadtgestaltung das Feld der Landschaftsarchitektur unbeackert bleibt. Dabei verfügt die Stadt über zahlreiche, vielfach historische Orte, die in ihrer Summe den Landschaftskulturbegriff nahezu durchbuchstabieren können – allein das »Z« für zeitgenössisch scheint zu fehlen.
Angefangen mit Münsters erster Grünanlage, der um 1770 von Johann Conrad Schlaun geschaffenen Promenade, ferner dem ebenfalls von ihm barock geplanten, später nach englischem Vorbild ausgeführten ab 1788 öffentlichen Schlossgarten, den um 1900 gärtnerisch angelegten Stadttorplätzen bis hin zu ersten Gartenvorstädten wie der »Habichtshöhe« mit großem öffentlichen Anger.
Nach 1945 führen durchgrünte Siedlungen, wie die Aaseestadt, diese Gedanken fort, später demonstrieren der erweiterte Aasee ebenso wie das Raumkontinuum des Allwetterzoos – zeitgleich zum Olympiapark München vom renommierten Landschaftsarchitekten Günter Grzimek entworfen – einen noch freieren Landschaftsbegriff.
Gleiches gilt auch für den bis heute vorbildlichen Park der West LB / LBS. Wenig später zeigen Land Art-Projekte wie Donald Judds Betonringe und Claes Oldenburgs Billardkugeln fantastische Balanceakte zwischen Architektur und Natur. So weit waren wir also schon mal.
Wer nun einen der jüngsten Parks, den Park Sentmaring, betritt, wird sich wundern, empfangen ihn an den strategischen Zugangs- und Aussichtspunkten merkwürdige »Folies«. Rote Stahlbalken, bemalte Betonwände mit Blättermotiv. Hier die gewachsene Natur, dort die DIN-gerechte, ausgekreuzte Konstruktion, hier die rauschhaften Grüntöne der Natur, dort das Aufmerksamkeit erheischende Rot.
So sehr ansonsten das Engagement des zuständigen Amtes auch zu loben ist: eine Debatte über die zeitge-nössische Gestaltung von Landschaft ist zu spannend, als sie zu verspielen. Und im Park Sentmaring? Da hoffen wir bisweilen auf eine Rückeroberung durch die Natur.
Stefan Rethfeld