Dem Hafen ein Forum
so gesehen
Ausgabe 07.2010
architektur stadt ms (2010)
Stadterwartungsland: Blick vom OSMO-Gelände auf den Zusammenfluß von Dortmund-Ems-Kanal und Hafen. Foto: Stefan Rethfeld

Stadterwartungsland: Blick vom OSMO-Gelände auf den Zusammenfluß von Dortmund-Ems-Kanal und Hafen. Foto: Stefan Rethfeld

Viel ist in den letzten Jahren im Hafen geschehen. Seit dem ersten pionierhaften Entdecken durch kulturelle Initiativen in den frühen 1990er-Jahren, haben einzelne Bereiche maßgeblich ihr Gesicht verändert. Allen voran das Nordufer am Haupthafenbecken, dem sogenannten Kreativkai. Er bietet heute entlang zahlreicher Neubauten mit Büros und Restaurants eine ungewöhnliche Uferpromenade. Auch entstanden Verwaltungs-großbauten rund um den Hafenplatz, eine alte Feuerwache wurde zum modernen Verlagsgebäude, eine Molkerei zum aufstrebenden Kammertheater.

Doch trotz der vielen Richtkränze und Einweihungen ist es, was die Zukunftsplanung des Gesamtareals an-geht, in den letzten Jahren auffallend still geworden. Bis heute stellt das weite Hafengebiet für die meisten Bürger eine Terra Incognita dar, ein unbekanntes Land.

Dabei nimmt der zentral gelegene Hafen mit seinen sieben Teilarealen – Alte Feuerwache, Kreativkai, Osmo, Mittelhafen, Stadthafen II, Hawerkamp, Nieberdingstraße – eine Fläche vergleichbar der Münsterschen Altstadt ein – und bietet aufgrund seiner landschafts- und innenstadtnahen Lage, seiner Verkehrsgunst zu Bahnhof und Tangentenring ein einzigartiges Potential zur kompakten, nachhaltigen Stadterweiterung.

Die Nicht-Diskussion muss umso mehr verwundern, da ein von der Stadt im Januar 2004 vorgelegten Masterplan geradezu transparente Verfahrensabläufe, die Bürgerschaft und Grundstückseigentümer über Moderationsverfahren miteinbeziehen, empfiehlt.

Diese aber fanden in den letzten fünf Jahren kaum statt. Das integrierende Moment des Handlungskonzeptes erfasste den geneigten Bürger höchstens frühmorgens bei der Zeitungslektüre, der er einzelne neue Investorenideen entnehmen konnte. Ein nun von Fachleuten und interessierten Bürgern angestoßenes und durch eine neue politische Mehrheit ermöglichtes Hafenforum ab Herbst 2010 verspricht hier für Wandel zu sorgen und zu neuen Energiekreisläufen in einer bislang eher defensiven Planungspolitik.

Beispielsweise haben sich jetzt schon im Vorfeld Anwohner und Gewerbetreibende vor Ort zur Initiative Zukunft Hafen e.V. zusammengeschlossen, um ihre Vorstellungen (s. kalender 8.7.) miteinzubringen, was nur begrüßt werden kann. Aber auch die Stadtgesellschaft insgesamt wird ein Interesse daran haben, welcher zukunftsweisende Umgang mit den denkmalwerten OSMO-Hallen gefunden werden kann, stellen diese doch seit 2002 den kulturellen Multifunktionsraum der Stadt Münster schlechthin dar – und liefern ein erfrischendes Gegenbild zur bisherigen »Guten Stube« des Prinzipalmarktes.

Eine Umprogrammierung vom einstigen verschlossenen Industrieareal hin zu einem öffentlichen urbanen Stadtraum setzt eine sorgfältige Debatte voraus. Und: eine interessierte Bürgerschaft sollte von der Politik als Geschenk betrachtet werden.

 

Stefan Rethfeld