Kultur- und Bildungsforum am Bült, Musikhochschule am Leonardo-Campus
Moderation: Jörg Heithoff (Chefredakteur Münster Urban)
Gäste: Prof. Dr. Gerd Blum (Kunsthistoriker), Dr. Hans Gummersbach (Initiative Pro Hörster Parkplatz), Prof. Jan Kleihues (Architekt), Prof. Jo Coenen (Architekt), Prof. Peter Wilson (Architekt), Andreas Schüring (Pro Leonardo Campus), Prof. Dr. Klaus Anderbrügge (ehem. Verein Musikhalle), Gerlind Korschildgen (Konzertbüro Schoneberg), Tobias Viehoff (Kaufmann Innenstadt), Prof. Dr. Herbert Bühler (MSA), Jessica Sanfilippo (Bürgerin Münster)
V.i.S.d.P. Hanno Höying, Gustav-Freytag-Straße 37 a, 48151 Münster
Nachbericht v. 27.02.2020:
Neue Kultur- und Bildungsorte für Münster?
Initiativen stellen alternative Orte vor
Mit dem Wort „Musikcampus“ meinen viele in Münster, sei doch alles schon gelöst. Standort, Programm und Finanzierung – kein Problem. Wenn doch Projektentwicklung tatsächlich so einfach wäre! Und so steht diesem Projekt wohl noch so manche Feuertaufe bevor.
Denn weder wird sich der Standort „Hittorfstraße“ automatisch zu einem urbanen und zentralen Hotspot verwandeln, noch wird sich das dialektische Programm von Kongress- und Kulturnutzung so einfach verschränken lassen. Auch dürfte die erhoffte Synergie der Ankernutzer zu viel Reibung führen. Von zeitgenössischer Architekturqualität und ausreichender, langfristiger Finanzierung (für Personal und Betrieb) ganz zu schweigen. Wenn auch weitere Schritte so abgekürzt werden wie bislang, wird das Projekt am Ende viele enttäuschen. Bisher gleicht es eher einem riesigen Luftballon …
Um so wichtiger wird es sein, sich den einzelnen Fragen offensiv zu widmen. Der Frühling des Jahres 2020 scheint hier nochmals ein guter Moment – für Grundüberlegungen.
So ist es nur zu begrüßen, dass verschiedene Initiativen alternative Ideen in den letzten Jahren entwickelt haben: für den südlichen Schlossplatz, den Hörster Parkplatz und den Leonardo-Campus – mit unterschiedlichem Programm.
Während die Schloss Platz Kultur-Initiative ihre umfassenden Ideen für den Bereich südlich des Schlosses auf einem jüngsten Stadtforum vorgestellt hat, luden letztere beide gestern Abend in den Theatertreff ein.
Münster – Stadt der gewachsenen Urbanität
Moderiert von Jörg Heithoff (Münster Urban) stellten sie ihre Ideen zur Diskussion. In den Abend stimmte zunächst Prof. Dr. Gerd Blum (Kunstakademie Münster) ein, dem gerade die Innenstadt von Münster prototypisch für ihre gewachsene Urbanität erscheint – und der sich unbedingt eine Stärkung der Innenstadt durch neue Kultur- und Bildungsorte wünscht. Den Standort „Hittorfstraße“ für ein kulturelles Jahrhundertprojekt wie den geplanten „Musikcampus“ hält er dagegen für abwegig.
Dr. Hans Gummersbach, langjähriger Leiter der VHS Münster, führte sodann in das Projekt „Kultur- und Bildungsforum“ am Hörster Parkplatz ein und warb für einen neuartigen Treffpunkt für die gesamte Stadtgesellschaft. Im Netzwerk von umgebenden Einrichtungen (Theater, Stadtbibliothek, etc.) würde ein solcher Ort das stadtkulturelle Leben neu für jedermann erlebbar machen – ein Ort der Bildung, der Kommunikation und der Kultur.
Neues Haus der Bildung, Begegnung und Kultur – am Hörster Parkplatz
Ein (überarbeiteter) Entwurf von Bolles+Wilson – vorgestellt von Peter Wilson – veranschaulichte diesen Ansatz. In einem pyramidenförmigen Gebäude mit zehn Etagen liegen ein Konzerthaus (2 Säle mit 1200+700 Plätze) sowie ein Haus der Bildung, Begegnung und Kultur als eine neuartige „VHS 2.0“. Benachbart am neuen Musikplatz wird die Westfälische Schule für Musik in neuen Räumen untergebracht. Auch sind Wohnungen samt Kindergarten geplant, um das Martiniviertel als Ganzes mit „Kultur, Wohnen + Grün“ lebendig zu entwickeln. Das Angebot eines Investors, der die Räume sodann an die Stadt vermietet, stehe nach wie vor. Auch auf ähnlich realisierbare Pläne der Büros Kleihues+Kleihues (Berlin/Dülmen) und Jo Coenen (Rotterdam) wurde verwiesen.
Schwebender Neubau für Musikhochschule – am Leonardo-Campus
Ganz passend fügte sich hierzu die Idee der zweiten Initative, die den Leonardo Campus als neuen Standort für eine Musikhochschule (die am Hörster Parkplatz nicht vorgesehen wird) vorschlugen. Bereits im Jahr 2016 untersuchten die Architekten Prof. Dr. Herbert Bühler und Andreas Schüring diese Variante. Beide zeichneten bereits u.a. für die mehrfach ausgezeichnete Bibliothek auf dem Leonardo-Campus verantwortlich. Sie entwerfen die Musikhochschule hierbei als Brückengebäude zwischen Campus und Innenstadt- entwickeln sie nahezu schwebend aus einem Altbau heraus. Neben Kunst, Architektur und Design würde künftig somit auch die Facette Musik das heute schon besondere Hochschulleben dort prägen – wie es bereits 1992 auf Landesebene auch schon verabredet war.
Offener Diskurs für neue Kulturorte in Münster
In der anschließenden Diskussion unterstrichen Tobias Viehoff (Initiative Starke Innenstadt) und Prof. Dr. Klaus Anderbrügge die Wichtigkeit eines offenen Diskurses über neue Kulturorte in Münster und forderten, dass Münster hier deutlich wieder kreativer werden müsse. Auch sprachen sich beide im Punkt des Konzertsaales für einen innerstädtischen Standort aus. Selbst die Gebiete „Bahnhof“ und „Hafen“ seien heute schon kaum mehr in einen Begriff „Innenstadt“ zu integrieren.
Weitere Stimmen von Konzertveranstaltern und Kulturnutzern betonten, dass gerade Erreichbarkeit, Atmosphäre und Frequenz über den Erfolg eines lebendigen Kulturortes entscheiden.
Von vielen Seiten wurde an dem Abend gefordert, bei der Planung die Bürgersicht mehr einzubeziehen. Dies werden die spärlich anwesenden Politiker wohl vernommen haben.
Dagegen zu Hunderten leuchteten die Lampen des Theaters herüber. Sie tanzten regelrecht – und stimulierten das freie Nachdenken an diesem Abend.
Zu wünschen wäre eine Öffnung der Debatte: Welche Kulturorte brauchen wir – und wo? Die Zeit einer verantwortlichen Planung beginnt spätestens jetzt. An der Planungskultur sollte dabei am wenigsten gespart werden.
Noch kann für alle Standorte das Passende für Stadt und Land gefunden werden. Vielleicht hilft schon ein anderer Musiksender: besser Jazz als Marschmusik.
Stefan Rethfeld