A-Z Architekten: Otto Bartning (1883-1959)
Architekt einer sozialen Moderne: Neues Bauen vor und nach 1945
Mittwoch, 23.10.2019, 19:00 Uhr
Vortrag von Dr. Sandra Wagner-Conzelmann
Veranstalter: BDA Münster-Münsterland
Ort: Erlöserkirche, Friedrichstraße 10, Münster
Zeichen neuer Hoffnung: Erlöserkirche Münster als Notkirche, 1949/50 von Otto Bartning gebaut. Foto: Hartwig Dülberg, LWL-DLBW

Zeichen neuer Hoffnung: Erlöserkirche Münster als Notkirche, 1949/50 von Otto Bartning gebaut. Foto: Hartwig Dülberg, LWL-DLBW

Über 150 Zuhörer erlebten in der Reihe „A-Z Architekten“ des Bundes Deutscher Architekten (BDA) einen besonderen Architekturabend. Vorgestellt wurde Leben und Werk des Moderne-Vordenkers Otto Bartning (1883-1959) in der Erlöserkirche. Jenem Gotteshaus, das der Architekt 1949/50 als Notkirche auf alten Fundamenten einer neogotischen Vorgängerkirche schuf. Von dieser blieben kriegsbedingt nur ein Turmstumpf und Trümmerziegel.

Bartning entwickelte bereits in der Gründerzeit Ansätze für eine soziale Moderne, die er nach 1919 zunächst im Kirchenbau, später auch im Wohnungs- und Krankenhausbau sowie in der Architekturausbildung umzusetzen versuchte.

Als langjährige Bartning-Forscherin und Kuratorin der jüngsten Bartning-Ausstellung in Berlin, Darmstadt und Karlsruhe berichtete Dr. Sandra Wagner-Conzelmann (Aachen) von seinen Reisen und Reformideen, Kirchen und anderen Gemeindeorten, seiner Rolle als Schriftsteller und Berater. Viele seiner Prämissen liefen nach 1945 im Notkirchenprogramm zusammen, das ebenso für Ehrlichkeit, Einfachheit, Aufrichtigkeit und Bescheidenheit stand. Es sollte nach 1945 auch die evangelische Kirche in Deutschland prägen.

In einer abschließenden Gesprächsrunde erläuterte Pfarrer Thomas Thilo von der Erlöserkirche den Gemeindealltag und die jüngste sorgfältige Sanierung. Andreas Heupel vom Vorstand des BDA hatte die Besucher eingangs begrüßt, Stefan Rethfeld in das Thema eingeführt.

Einladung: Dem bedeutenden Architekten Otto Bartning (1883-1959) hat auch Münster ein besonderes Bauwerk zu verdanken: die Erlöserkirche am Servatiiplatz. Sie entstand 1949/50 im Rahmen eines Notkirchen-Programms, das Bartning für die evangelische Kirche entwickelt hatte. Wie der Architekt zum Kirchenbau kam und was ihn als Architekt einer sozialen Moderne auszeichnete, wird am kommenden Mittwoch (23.10.) um 19 Uhr ein Architekturabend in der Reihe  A-Z Architekten des BDA Münster-Münsterland in der Erlöserkirche beleuchten.

 

Bartning studierte ab 1902 an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, später an der heimischen Technischen Hochschule Karlsruhe Architektur. Reisen und Aufträge für erste Kirchenbauten drängten ihn, das Studium nicht abzuschließen, sondern sogleich 1905 ein Büro in Berlin zu gründen. Verschont vom Kriegsdienst beschäftigte er sich mit gesellschaftlichen wie architekturtheoretischen Fragen und veröffentlichte 1919 seine programmatische Schrift „Vom neuen Kirchenbau“. Im Arbeitsrat für Kunst erarbeitete er ab 1918 ein neues Lehrkonzept für die Architekturausbildung, das die Bauhaus-Idee mit begründete. Während der Weimarer Republik zählte er zu den wichtigsten Vertretern des Neuen Bauens.

 

Nach 1945 entwickelte er für die evangelische Kirche ein Notkirchen-Programm, in dessen Rahmen auch die Erlöserkirche in Münster entstand. Ein Standard aus Holzbindern erlaubte es, vorhandene Trümmer als Baumaterial sowie noch existierende Fundamente der Vorgängerkirche wieder zu verwenden – auch als ein Zeichen neuer Hoffnung. Da die Notkirche in Münster gar über niedrige Seitenschiffe verfügt, wurde sie bereits schon zur Erbauungszeit als „schönste der Notkirchen“ bezeichnet. Als Leiter des Planungsausschusses für die Berliner Interbau 1957 und als Präsident des BDA Bundes Deutscher Architekten (1950-59) nahm er maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der westdeutschen Nachkriegsarchitektur.