Im Mittelalter gab es starke Städte: sie waren finanziell selbstständig. Noch heute erinnert die Kommunalverfassung zumindest an diesen Gedanken. Qua Grundgesetz sollen die Bürger einer Stadt gemeinschaftlich über die sie betreffenden Angelegenheiten entscheiden.
Doch von Selbstständigkeit in einem nennenswerten Umfang kann heute keine Rede mehr sein. Längst ist an vielen größeren Investitionsentscheidungen der Staat in Form von Bund und Land beteiligt: sie führen die Kommunen »am goldenen Zügel« (Hartmut Häußermann). Auch führen die Länder als formell unterste staatliche Ebene die fachliche Aufsicht über die Kommunen, genehmigen jeden Haushalts- und Bauleitplan.
Eng eingebunden in die Wirtschafts-, Finanz- und Infrastrukturpolitik von Bund und Land bedarf es also guter Beziehungen nach Düsseldorf, Berlin und Brüssel. Auch die Pflichtausgaben für Gemeinden dürfen diese nicht überfordern.
Dies gilt in unseren Jahren auch gerade für Konsolidierungsprogramme. Um Geld zu vermehren kann man be-kanntlich drei Dinge tun: Kredite aufnehmen, Einnahmen steigern oder Ausgaben senken. Das erste verbietet sich angesichts der historisch hohen Schuldenstände nahezu von selbst: jeder Bundesbürger ist aktuell öffentlich mit rund 21.000 EUR durch den Staat verschuldet, jeder NRW-Bürger mit 7.130 EUR.
Auch der Schuldenstand der Stadt Münster ist enorm gestiegen: wurde sie noch 1992 mit dem »Silbernen Steuer-groschen« als Sparhauptstadt gekürt, weist sie derzeit eine Pro-Kopf-Verschuldung 2.700 EUR aus. Tendenz steigend. Um, zweitens, Einnahmen zu steigern, könnten Steuern erhöht werden, doch können rechtlich Gemeinden lediglich die Stellschrauben für die Grundsteuer und einige Bagatellsteuern anziehen – und die Gewerbesteuer als wichtigste originäre Einnahmequelle. Alle anderen Steuer fließen zunächst dem Staat zu.
Den spannensten Punkt stellt sodann bekanntlich das Senken von Ausgaben dar. In mehreren Sparrunden hat Münster sich längst zunehmend aus einigen freiwilligen Leistungen im Bereich Kultur, Sport, Soziales zurückgezogen, fanden PPP-Projekte mit Investoren statt, wurde die Verwaltung verschlankt und Aufgaben privatisiert, bei denen der Bürger immer mehr zum Kunden wird.
Und angesichts weiterer Maßnahmen könnte man sich Dagobert Duck anschließen, wenn er seufzt: »Ich wage gar nicht zu befürchten, was ich befürchte, befürchten zu müssen.« Jedoch bietet das Sparen auch eine ungeheure Chance: die Stadt wird intelligenter werden müssen, mehr Synergien suchen, das Bestehende schätzen ( s. Cover ).
Viele Routinen müssen in Frage gestellt werden. Am Ende könnte eine schlankere Stadt eine größere Fitness aufweisen: Shrink to fit. Eine Spardebatte führt unweigerlich zu den Grundfragen der Stadt: welchen Anspruch stellt sie an sich selbst? Es ist eine Einladung an alle Bürger über ihre Stadt nachzudenken – und sie als Gan-zes zu denken.
Stefan Rethfeld