Picasso macht Platz
so gesehen
Ausgabe 10.2010
architektur stadt ms (2010)
Neue schöne Bilderwelt: Picassoplatz Münster. Foto: Stefan Rethfeld

Neue schöne Bilderwelt: Picassoplatz Münster. Foto: Stefan Rethfeld

Die Stadt hat ein neues Fotomotiv bekommen: das aus roten und grauen Granitsteinen gepflasterte Konterfei Pablo Picassos, direkt vor seinem Museum an der Königsstraße. Es sorgt für heftige Diskussionen.

Der Bund der Steuerzahler moniert, die öffentliche Landesförderung sei zu großzügig bemessen und Bürger beklagen, dass es nur von weit oben lesbar ist. Und erst recht die Kunstwelt kritisiert die Art, wie es einen öffentlichen Platz dekoriert.

Sicher: mit den zielgenauen Akupunkturen der Skulptur-Projekte hat es nichts gemein. Wo jene Künstler mit ihren ortsbezogenen Arbeiten feine Nadeln in den Stadtkörper setzen, da unterläuft der neue Platz deutlich jenes kuratorische Radar und kann höchstens als buntes Kinder-Heftplaster durchgehen, als lustiges Tattoo auf der Haut der Stadt.

Gewichtige Argumente hat auch jene Fraktion, die das Werk als reines Marketing für Stadt und Museum einstuft, und feststellt, dass qua eigener neuer Platzadresse der private Musentempel jetzt auf einem noch höheren Sockel steht. Parfum für die Stadt.

In der Tat warb Münster bis vor kurzem noch mit dem Slogan »Prada, Picasso, Prinzipalmarkt«, einer PPP-Konstruktion der besonders exklusiven Art. Und was, wenn es ganz anders ist?

Picasso wollte nicht einen Augenblick lang das machen, was man heute in ihm sieht. Er hatte eine Abneigung gegenüber Museen und seine Bilder sollten aufräumen mit dem alten Spuk von Sitten und Vorschriften, die das Leben und die Kunst erdrücken. Schluss mit Regeln und Mustern, die ihm übergestülpt wurden.

Zu neugierig war er in den Dingen und er erfand malerische Mittel, die immer wieder provozierten. Wenn ihm selber seinerzeit bei Museumsbesuchen zu langweilig war, tat er nichts lieber, als in die Stadt einzutauchen, hin zu ihren Gassen, Plätzen und Cafés.

Kann also der Platz nicht geradezu als Antithese zum Museum gelesen werden: hier der kuratierte Raum und draußen das Leben? Picasso als Wasserzeichen, als »imaginierter Schatten« (Chestnutt_Niess, Entwurfsarchitekten), als Bühne für das urbane Leben.

Man muss die Fläche a la PP nur zu deuten wissen: »Es gibt den Maler, der aus der Sonne einen gelben Fleck macht, und es gibt auch den, der mit Überlegung und Geschick aus einem gelben Fleck eine Sonne macht.«

Sicher würde sich Picasso über die vielen surrealen Momente diebisch freuen: dass die Münsteraner, ohne es zu merken, ihm durchs Gesicht laufen, seinen Denk- und Lachfalten ent-lang, den Kinderwagen über seine Stirn schieben, auf seiner Nasenspitze tanzen und seinen Ringelpulli als Zebrastreifen nutzen.

Vielleicht ist der Platz noch ein-mal die Einladung, ganz jung zu werden. Für den kleinen Pablo war die »7« eine umgekehrte Nase, die »0« das Auge einer Taube. Und wenn wir ganz nah ran gehen, verrät er uns noch ein paar Tricks: Rauchen durchs Nasenloch et-wa. Der Platz kann mehr sein, als wir denken. Nicht suchen halt, finden.

 

Stefan Rethfeld