Münster vor Ort: Hörstertor
Online-Tour
Veranstalter: Projektbüro Stefan Rethfeld
Eingangsbauwerk am Hörstertor: Staatsarchiv Münster (1886-88, Karl Friedrich Endell) mit Erweiterung (1973-76, Werner Heselhaus) - Foto: Stefan Rethfeld

Eingangsbauwerk am Hörstertor: Staatsarchiv Münster (1886-88, Karl Friedrich Endell) mit Erweiterung (1973-76, Werner Heselhaus) - Foto: Stefan Rethfeld

Münster vor Ort: Hörstertor
Online-Tour – März 2020

Beides treibt derzeit seine Blüten: die Corona-Zeit und der Frühling. So ist trotz schönstem Wetter ein öffentlicher Münster vor Ort-Rundgang bis auf Weiteres nicht möglich. Für alle, die dennoch mal eine ungewohnte Runde gedanklich entlang spazieren möchten, habe ich daher einige Stationen des Architekturrundgangs „Hörstertor“ zusammengestellt. Viel Vergnügen bei der Online-Tour.

01 Hörstertor

Wir starten am Hörsterplatz. Das ehemalige Hörstertor zählte zu den elf mittelalterlichen Stadttoren in Münster. Es wurde um 1770 abgebrochen, letzte Reste des Hörsterberges um 1881 entfernt. 1882 wurde ein Platz angelegt, einige Bäume stehen noch.

 

02 Staatsarchiv, Bohlweg 2

Nachfolgend entstand das Staatsarchiv (1886-88) nach Plänen des Berliner Architekten und preußischen Baubeamten Karl Friedrich Endell. In der Giebelgestaltung nahm er Bezug zum abgerissenen Hörster-Torturm, den einst ein hoher Renaissancegiebel mit abgerundeten Staffeln zierte. Das Archivgebäude enthält bis heute ein fortschrittliches Magazinsystem, welches zur Bebauungszeit in Preußen aufgrund seiner Feuersicherheit als vorbildlich galt.

 

03 Staatsarchiv, Neubau

Neben dem Magazinbau lag ursprünglich ein villenartiger Verwaltungsbau, der jedoch nach dem Krieg abgerissen wurde. In den Jahren 1973-1976 wurde der Altbau durch Werner Heselhaus um ein neues, modernes Verwaltungsgebäude ergänzt. Das Material Sichtbeton nutzte auch Karl Ehlers für eine expressive Eingangsplastik.

 

04 Neubau Wohnhaus Gartenstraße

Gegenüber liegt ein neues Wohnprojekt (Architekt: Andreas Heupel Architekten BDA, 2018/19), das sich mit seinem sechsgeschossigen Volumen auf das benachbarte Staatsarchiv bezieht. Bei aller Detailqualität erscheinen Höhenanspruch – im Vergleich mit den umgebenden Hochpunkten (Kirchen, JVA und Staatsarchiv) – und Vermittlung zum Bestand eher fragwürdig.

 

05 Hörsterplatz / Adler-Denkmal

Als Platz vor der Altstadt lädt der Hörsterplatz zum Verweilen ein. Ein Adlerdenkmal (1930, Künstler: Hermann Kissenkoetter) erinnert an gefallene Regimentsmitglieder in den Schlachten von Cambrai, Dannevoux und Verdun im Ersten Weltkrieg. Der Adler „verteidigt das letzte Geschütz (eine zertrümmerte Kanone) bis zum letzten Atemzug“ (Ursula Uber).

 

06 Klostergärten

Die Klostergärten entstanden 2008-2010 nach Plänen der Architekten Hilmer Sattler Albrecht (München) als gehobenes Wohnprojekt mit 92 Wohnungen auf dem ehemaligen Grundstück eines Franziskanerklosters (1860), welches 2004 aufgegeben wurde. Lediglich ein Rest der Klostermauer blieb erhalten. Die beanspruchte Exklusivität, die räumliche Dichte und Abschottung und eine historisierende Palaisarchitektur sorgten für Kritik. Ähnliche Stadtvillen-Projekte realisierten die Architekten in Düsseldorf („Heinrich-Heine-Gärten“), München („Lenbach Gärten“) und in Hamburg („Sophienterrassen“).

 

07 Goldstraße

Heute ist die Goldstraße der Hauptstraßen, besonders auch als Fahrradstraße, im Gebiet mit gehobenen Wohnadressen. Bis 1839 hieß sie noch „Kleine Mühlenstiege“. Gesäumt wird sie von privaten Wohnhäusern aus den 1920/30er-Jahren, die „einen Anreiz zur Nachahmung gaben“ (MZ 25.10.1931). Versteckt liegen ältere Bauten im Hinterland an ehemaligen Gartenstiegen. Das Wohnhaus Engelmeyer (Nr. 60) wurde 1929 von Benteler & Wörmann errichtet.

 

08 JVA

Das Gefängnis stellt eines der Hauptbauwerke im Gebiet dar. Mit seinen fünf rotverklinkerten Flügelbauten und zinnenbewehrten Türmen zeugt es von einer eigenen Welt unmittelbar am Altstadtrand. Das heute zweitälteste Gefängnis in Deutschland wurde seinerzeit vom Schinkelschüler Carl Ferdinand Busse nach Vorbild des Londoner Mustergefängnisses Pentonville in den Jahren 1840-53 errichtet. Im Jahr 2016 wurde es plötzlich geräumt, da der BLB Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW es in Teilen für einsturzgefährdet hielt. Durch diesen spektakulären Vorgang wurde eine Neubau-Planung forciert – ein Neubau wird derzeit am Standrand in Münster-Wolbeck geplant. In naher Zukunft wird über eine Nachnutzung des Denkmals an der Gartenstraße zu debattieren sein.

 

09 Gartenstraße

Die Gartenstraße erhielt ihren Namen erst 1875, zuvor wurde sie „Große Mühlenstiege“ genannt. Mit dem neuen amtlichen Namen entwickelten sich entlang ihrem Verlauf neue Adressen. Einige Wohnhäuser aus der Gründerzeit sind noch vorhanden.

 

10 Küchengarten

Hinter dem JVA-Gefängnis liegt der sogenannte Küchengarten. Hier konnte sich die Justizvollzugsanstalt mit Obst und Gemüse versorgen. Heute wird dieser Zwischenbereich temporär als Kleingartenanlage genutzt.

 

11 Gartenhaus, Goldstraße 30

Dieses jüngste noch erhaltene Gartenhaus aus der Barockszeit entstand um 1780 – und lag weit vor der Stadt im sogenannten Gartenring. Dorthin zogen die Bürger, um hier ihre Gärten zu bewirtschaften oder in der Natur zu sein. Der Pavillon stellt bereits mit einem kleinen Salon im Obergeschoss eine gehobene Anlage dar. Erreicht wird dieser über eine doppelarmige Treppe. In den 1980er-Jahren war das Haus verfallen. Im Zuge der Restaurierung legte der Gartenarchitekt Hans-Günther Schulten einen Obstgarten mit barockisierenden Elementen an. Das Anwesen ist im Besitz des Bistums.

 

12 Kolpingstraße / Goldstraße

Mehrfamilienhaus des Wohnungsvereins von 1893 eG – erbaut um 1927 von Wilhelm Jung, 1992 in Originalfarben restauriert. Ähnlichkeiten im architektonischen Ausdruck – plastische Ausbildung der Fenster, Türen und Erker, lassen sich bei seinen weiteren Projekten im Schnorrenburgviertel und an der Wiener Straße finden.

 

13 Siedlungsbauten Enkingweg / Vincenzweg

Wo ab 1883 der Schlachthof lag (heute: Lublin-Ring), erstreckte sich früher das weitläufige Areal der Enkingmühle. Sie bestand aus einem Herrenhaus mit Wassermühle direkt an der Aa. Münsters Wohnungsnot führte nach dem Ersten Weltkrieg zu rascher Bautätigkeit. Entlang der Gartenstraße sowie östlich hinüber zur Goldstraße, am Enking- und Vinzensweg, errichtete der Beamten-Wohnungsverein (seit 1939: Wohnungsvereins von 1893 eG) neue Siedlungsbauten. Die Federführung in der Bauplanung übernahm der Architekt Wilhelm Jung. Nach seinen Plänen entstanden vor allem im Norden der Stadt über 250 Häuser, bis er 1933 seinen Posten niederlegen musste. Die Stadt war seinerzeit dankbar für ein solches Engagement. Sie gewährte Vorzugsrpeise für städtische Grundstücke, Mietgarantien, Übernahme von unrentierlichen Kosten, Baukostenzuschüsse und zinsgünstige Darlehen. Im Gegensatz zu Gründerzeit kamen diesen „Inflationsbauten“ gänzlich ohne Schmuck aus. Dennoch galten sie nicht als gesichtslos. Gärten, auch Vorgärten, wurden intensiv für die Selbstversorgung genutzt. In jüngster Zeit wurden die Bauten energetisch saniert – und erhielten ein plumperes Erscheinungsbild.

 

14 Ehemaliger Gefängnisfriedhof

Vor dem Haus Gartenstraße Nr. 59/61 lag früher der Friedhof des Gefängnisses. Lange blieb der Ort unbebaut, erst im Wiederaufbau wurde er verdichtet.

 

15 Wohnanlage Goldstraße

Die historische Wohnanlage an der Goldstraße wurde jüngst durch drei neue Wohnhäuser (Architekt: Christoph Thiel) ergänzt, die Bezug zum Bestand nehmen.

 

16 Wohnhaus Dr. Engelmeyer

Das Wohnhaus Engelmeyer an der Goldstraße Nr. 60 wurde 1929 von Benteler & Wörmann errichtet.

 

17 Katholische Fachhochschule

Der großzügige Komplex der Katholischen Hochschule an der Piusallee entstand in den 1950er-Jahren. Ergänzt wurde er jüngst durch einen Anbau (Architekt: Peter Bastian Architekten BDA).

 

18 Wohnhaus Stratmann, Piusallee

Entstanden ist dieses Wohnhaus 2010 als komplexes Raumgefüge (Architekt: Andreas Heupel Architekten BDA). Besonders die lebendige Ziegelfassade fällt ins Auge. Es ist Recyclingmaterial und stammt von einem Abbruchhaus aus der Region. Dem Spaziergänger vermitteln sich bei diesem skulpturalem Bau Schritt für Schritt neue Blicke.

 

19 Pius-Höfe

Die Villa wurde 1936 von Edmund Scharf für das Luftfahrtministerium errichtet und vom Fliegergeneral Hans Hahn bewohnt. Der strenge Bau wurde 2012-14 rückwärtig durch neue Hofbauten (Architekten: Bleckmann und Krys) ergänzt.

 

20 Ratsgymnasium, Bohlweg

Der von Ostermann & Droste (1955-58) errichtete Schulbau wurde jüngst nach Plänen des Büros Ubbenhorst & Partner saniert und erweitert.

 

21 Wohn- und Geschäftshaus, Bohlweg

Das viergeschossige Eckgebäude entstand 2003-2004 nach Plänen der Architekten Knoche Ellertmann. Es nimmt Praxisräume sowie eine großzügige Maisonettewohnung auf, die sich vom 1. OG bis zur Dachterrasse erstreckt. Im Garten steht eine Skulptur der Künstlerin Franka Hörnschemeyer. Für diese verwendete sie auch Schalungselemente der Baustelle.

 

22 Alter Hörsterfriedhof

Der Hörsterfriedhof zählt zu den ältesten Orten im Gebiet – er wurde bereits 1808 angelegt. Seine verstreut liegenden Gräber können eine Menge erzählen – über das Hörstertor-Viertel und weit darüber hinaus.

 

23 Tankstelle mit Autogarage

Die Tankstelle wurde im Zuge des neuen Landeshauses durch den Architekten Werner March 1950/51 errichtet. Seit 2010 steht sie unter Denkmalschutz. Ursprünglich wurde der Autohof doppelt so groß geplant.

 

24 Wohnhäuser Fürstenbergstraße

Erhalten haben sich hier zwei gründerzeitliche Wohnhäuser. Das hinter Tannen versteckte Haus Nr. 6 errichtete Alfred Hensen 1903/04 im Stil der Weserrenaissance für die Familie Sümmermann.

 

25 Staatsarchiv

Zuletzt erblicken wir nochmals das Staatsarchiv von der Rückseite. Das neohistorische Giebelhaus und der moderne Anbau ergeben ein spannungsvolles Miteinander.

Und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt der Tour – am Hörsterplatz.

Info: Münster vor Ort: Hörstertor – Treffpunkt: Staatsarchiv, Bohlweg 2, Münster

Diese Tourausgabe war ursprünglich für März 2020 geplant und wurde – pandemiebedingt – im September 2020 analog zum Abschluss des Jahresprogramms 2020 nachgeholt. Als Online-Tour kann sie jetzt auch jederzeit nochmals „nachgegangen“ werden. Viel Vergnügen und viele neue Blicke!

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