In der modernen Architektur ist der Gedanke einer Corporate Architecture gut 100 Jahre alt. Lange Jahrzehnte war es üblich, dass Gebäude vielfach in blindem Historismus gestaltet wurden: ob Bank oder Brauerei, Post oder Pumpwerk, Werkstatt oder Wasserturm. Die Architekturform war zum bloßen Dekor verkommen und verschwieg den oft innovativen Inhalt.
Der Architekt Peter Behrens (1868–1940) war es schließlich, der eindringlich forderte, die getrennten Bereiche Kunst und Technik wieder zu einer Tat zu verschmelzen. Für die AEG in Berlin entwickelte er daher ab 1907 eine umfassende Marken- und Unternehmensphilosophie und übertrug sie auf sämtliche Bereiche: auf Fabrikgebäude und Verkaufsbüros, auf Produkte und Firmenlogo und Briefpapier. Seine Turbinenhalle in Berlin-Moabit (1908/09) zeugt heute noch von dieser Pioniertat.
Vielfach hielt diese Idee nun Einzug und auch in Münster hinterließ sie Spuren. So ergänzte in den zwanziger Jahren die Germania-Brauerei ihre neo-gotischen Bauten durch einen kantigen, weithin sichtbaren Turm. Und auch der Autohändler Kiffe erweiterte seine Werkstatt am Hawerkamp durch ein dynamisch-geformtes Verkaufsgebäude (s.asms 10|08). Nach dem Krieg entwickelte maßgeblich der Gestalter Otl Aicher (1922–1991) diesen Ansatz weiter, und schuf für Unternehmen wie ZDF, Deutsche Lufthansa, Dresdner Bank, Erco und die Westdeutsche Landesbank bis heute wertvolle Grundlagen. Für letztgenannte entwarf bekanntlich Harald Deilmann die Architektur und gab dem Unternehmen ein Gesicht.
Architektur übernimmt hier eine kommunikative Rolle, in dem sie durch ihre Ausgestaltung die Werte und das Selbstverständnis des Unternehmens darstellt. Nach innen und nach aussen, für Mitarbeiter, Kunden und die Medien. Die Kommunikation von Unternehmen ist hierbei umso erfolgreicher, wenn sie nicht nur sendet, sondern auch empfangen kann. Und so zu einem Ort mit Bezügen und Beziehungen wird.
Mobilität und Flexibilität sollten nicht mit Austauschbarkeit und Anonymität einhergehen. Wer sich ein Gebäude als Persönlichkeit vorstellt, wird schnell merken, dass es ein zu wenig und ein zu viel an Kommunikationsleistung gibt. Denn Gebäude, die ewig blinken, grüßen, leuchten sind ebenso unerträglich wie Gebäude, die nachäffen oder verstohlen in der Ecke stehen.
Eine selbstbewußte Haltung ist gefragt, nur so hat es auch das Potential sich zu entwickeln. Am Beispiel von Germania und Kiffe zeigt sich sogar, dass die Architekturwerte selbst dann noch steigen, wenn die Unternehmen längst ausgezogen sind. Denn nach kurzen Leerständen erhielten beide Wahrzeichen jüngst neue Rollen: als Zentrum eines neuen Wohnquartiers bzw. als temporäre Musikhalle. Das Investment in Sachen Architektur dürfte sich in jeder Hinsicht gelohnt haben.
Stefan Rethfeld