Carl Ferdinand Busse (1802-1868) – Rückblick
Ungewöhnliche Orte gab es in der Reihe „A-Z Architekten“ schon viele. Die 1853 eröffnete und nahezu original erhaltene Justizvollzugsanstalt an der Gartenstraße in Münster bot erneut einen außergewöhnlichen Rahmen. Nicht nur als Ort einer bewegten Geschichte, sondern auch als Ort für eine noch zu findende Zukunft. Denn sobald ein moderner Ersatzneubau am Stadtrand von Münster fertiggestellt sein wird, werden das Land NRW als Eigentümer sowie die Stadt zusammen mit der Stadtgesellschaft herausgefordert sein, eine urbane Perspektive für die seit 1984 denkmalgeschützte Strafanstalt samt Quartiersumfeld zu entwickeln. Der BDA Münster-Münsterland versuchte mit dem Abend bereits erste Grundlagen zu ermitteln.
Entsprechend hoch war denn auch das Interesse, mehr über die historische Strafanstalt und ihren Architekten Carl Ferdinand Busse (1802-1868) zu erfahren. In seinem Vortrag stellte der Architekt und Journalist Stefan Rethfeld in der Gefängniskapelle dem Publikum Leben und Werk des preußischen Baubeamten vor, der als enger Mitarbeiter von Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) galt. Rund zwanzig Jahre jünger als Schinkel, wurde dieser Busse zum Gönner. Er förderte sein Zeichentalent, beauftragte ihn nach seiner Baumeisterprüfung 1827 mit ersten Gutachten und baute mit ihm die Bauakademie als Ausbildungsstätte aus. Nach Schinkel stand Busse der Bauakademie von 1849 bis 1866 als Direktor vor. Zuvor betreute er ab 1837 sämtliche Landbauten in der Rheinprovinz, der Provinz Westfalen und der Provinz Schlesien.
Auch neue Baugattungen, darunter Post- und Gefängnisbauten, entstanden. Inspiriert durch eine Englandreise 1841 wurde die sternförmige Anstalt in Pentonville im Norden Londons zum Vorbild. Diese wiederum orientierte sich an dem bereits 1829 umgesetzten Gefängnisstern in Philadelphia (USA). Nachdem Busse eine erste modifizierte Gefängnisanlage in Berlin-Moabit umsetzte, sollte die Strafanstalt in Münster zur noch größeren Herausforderung werden – als Stadt vor der Stadt.
Noch heute lässt sich die damals gefundene burgartige Lösung mit einem Zentralgebäude und fünf sternförmig abstrahlenden Zellentrakten lesen und deuten. Nicht mehr Bestrafung stand im Mittelpunkt, sondern Reform und Resozialisierung. Die Einzelzellen galten seinerzeit als Fortschritt, der mögliche Kontakt zu Wärtern ebenso. Durch Werkstätten und Bildungseinrichtungen sollten Gefangene zudem die Chance zur Wiedereingliederung erhalten. Etwas später zeichnete Carl Ferdinand Busse auch für Kurhäuser verantwortlich, so schuf er 1857 das Badehaus I in Bad Oeynhausen. Im Übergang zwischen Klassizismus und Historismus entwickelte Busse seine Bauten noch als solitäre Zeugen einer Vor-Gründerzeit.
In einer anschließenden von David Kasparek moderierten Gesprächsrunde wurden Potentiale einer Weiterentwicklung erörtert. So betonte Heiner Farwick als langjähriger BDA-Präsident die gesellschaftliche Pflicht zur Umnutzung der JVA in Münster, die zudem ein dankbares Thema für einen Architekturwettbewerb darstellt. Auch Lukas Figgen vom Stadtplanungsamt Münster verstand die Weiterentwicklung des Bestandes als große Chance für ein urbanes Quartier in Altstadtnähe. Diesem konnte sich Dr. Bruno Kretzschmar als LWL-Denkmalpfleger nur anschließen und verwies auf den Pioniergeist vor rund 170 Jahren: Von Schinkel und Busse könne man heute noch lernen – jedenfalls wenn man nach einer lebendigen Lösung sucht. Für die Veranstaltung, die auch im Rahmen der BDA NRW Landesreihe 2022 „21,7 Millionen Gebäude – Umdenken – Umnutzen – Umbauen“ stattfand, dürfte dies eine mehr als passende Formel sein. Der BDA Münster-Münsterland plant im Frühjahr 2023 weitere öffentliche Veranstaltungen zum Thema.